Im März 2001 wurden im abgelegenen Bamiyantal in Afghanistan
zwei riesige Buddha-Statuen in die Luft gesprengt.
Das Drama um die alten Steinkolosse - einzigartige Zeugnisse
einer Hochkultur, die bis zum 13. Jh. entlang der
Seidenstrasse blühte - ist Ausgangspunkt eines filmischen
Essays über Fanatismus und Vielfalt, Terror und Toleranz,
Ignoranz und Identität.
Der Film ist eine Reise entlang jener facettenreichen Linie,
die Menschen und Kulturen gleichermassen trennt und verbindet.
Synopsis von Sean Farnel
Wie hat es hier getönt vor 1500 Jahren? Wie hat es gerochen? Christian Frei's Film beschwört die Vergangenheit, erforscht die Gegenwart, sucht nach verschiedensten Aspekten, findet Poesie und Tiefe. Wir sind in Bamiyan in Afghanistan. Dem Tal der grossen Buddhas. Einer davon, 55 Meter hoch, war der grösste stehende Buddha der Welt. Aber das war einmal.
Im Februar 2001 erliessen die Taliban das Edikt, dass alle figürlichen Darstellungen zu vernichten seien. Im März waren die Buddhas nur noch Staub. Die Welt reagierte entsetzt und diese Heuchelei ist eines der Themen in Frei's wunderschön mäandernder Filmreise. Er zitiert den iranischen Filmemacher Mohsen Makhmalbaf: "Ich bin jetzt überzeugt, dass die Buddha Statuen nicht zerstört worden sind. Sie zerbröckelten aus Scham. Aus Scham wegen der Ignoranz des Westens gegenüber Afghanistan."
Ein anderer Weg. Eine andere Zeit. Wir folgen den Fussstapfen Xuanzang's, jenem berühmten Wandermönch, der im siebten Jahrhundert während sechzehn Jahren entlang der Seidenstrasse unterwegs war. Bamiyan war Boxenstopp auf seinem Weg nach Indien.
In seinem Tagebuch beschreibt Xuanzang voller Emotion die beiden Buddhas - und erwähnt einen dritten, liegenden Buddha in einem nahen Kloster. Dreihundert Meter lang soll er sein, die grösste Statue in der Geschichte der Menschheit. Das achte Weltwunder. Fasziniert von der Legende dieses schlafenden Buddhas beginnt der französische Archäologe Zémaryalaï Tarzi mit Ausgrabungen. Dabei beklagt er den Ausverkauf des afghanischen Kulturerbes. Das Land komme ihm vor wie "eine ausgepresste Zitrone".
In Kanada sinniert die afghanische Schriftstellerin und Journalistin Nelofer Pazira über einer Fotografie ihres Vaters, der vor dem grossen Buddha posiert. Sind das Lachen und die Musik von damals, ist die Erinnerung selbst auch ausgetrocknet? In der chinesischen Stadt Leshan wird eine Kitsch-Replika des Bamiyan Buddhas gebaut - als Touristenattraktion. Und in Zürich plant man mittels Fotogrammetrie eine Rekonstruktion der Statue. Die UNESCO bevorzugt ein Mahnmal. Der Film folgt diesen Geschichten.
Was aber suchen sie alle auf diesem Weg, auf dem der chinesische Mönch einst wanderte... vollkommen verwirrt
und unfähig, sich zurechtzufinden?
und unfähig, sich zurechtzufinden?
© Sean Farnel | Toronto International Film Festival
(Übersetzung aus dem Englischen: Christian Frei)
Statement von Christian Frei
Ich sehe meinen Film als eine Hymne auf die Vielfalt von Meinungen, Religionen und Kulturen. Niemand - weder die Taliban noch die US-amerikanische Politik - soll dem Rest der Welt eine Homogenität und Standardisierung aufnötigen. Die Gelassenheit, mit der ich vom fanatischen Bildersturm der Taliban erzähle, ist denn auch meine politische Botschaft. Natürlich ist es ein Akt der Ignoranz, einer wehrlosen Statue den Kopf abzuschlagen und sie zu zerstören. Aber die Reaktion auf diese Ignoranz darf nicht ebenso ignorant sein.
Die Dreharbeiten für den Film begannen zwei Wochen vor dem Ausbruch des Irak-Krieges im März 2003. Und es gelang Kameramann Peter Indergand und mir, den Starreporter Taysir Alony des TV-Senders "Al Jazeera" zu interviewen. Er war der einzige Journalist, der die Sprengung der Bamiyan Buddhas filmen konnte. Ich wusste, dass er hervorragende Kontakte hatte zum
innersten Zirkel von Al-Kaida und zu Osama bin Laden. Dennoch war ich schockiert, als Taysir wenige Wochen nach den Dreharbeiten in Spanien verhaftet wurde. Der Staatsanwalt wirft ihm vor, regelmässig mit Terroristen telefoniert und sie unterstützt zu haben.
Die Sprengung der zwei kolossalen Buddhas im abgelegenen Bamiyan-Tal im März 2001 war ein Auftakt. Sechs Monate später folgten die Angriffe auf die Twin Towers in New York. Doch "The Giant Buddhas" ist kein Film über Terror, sondern vielmehr ein Film über die Vergänglichkeit an sich, ein Film über den Verlust kultureller Identität, über die Suche nach Wahrheit, Schönheit und Vielfalt. Mich hat einfach interessiert, von einem Ereignis, das die Welt erschütterte, auszugehen und mich auf eine Filmreise zu begeben.
Eine Reise entlang jener facettenreichen Linie, die Menschen und Kulturen gleichermassen trennt und verbindet.